Ich höre nichts.

Allgemein

Als sehr wesentlich empfinde ich, dass zwei entscheidende Faktoren stets zu berücksichtigen sind. Der erste Faktor ist, dass Gehörlosigkeit in der Gesellschaft mehrheitlich als eine Behinderung eingestuft und gesehen wird und der zweite Faktor besteht darin, dass wir Gehörlosen uns als Sprachminderheit betrachten und nicht als behindert. Das kann man nicht als Widerspruch darstellen. Ich, als Gehörloser, habe in meiner Sprachgemeinschaft keinerlei Barrieren. Auf der anderen Seite ist die Behinderung ein soziologisches Konstrukt und eine soziale Realität. In vielen Fällen habe ich zur akustisch orientierten Sprachgemeinschaft keinen Zugang.

Ich glaube, es geht darum, zuzulassen, dass die Menschen schlicht verschieden sind. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang Paddy Ladds Buch über die Gehörlosenkultur zu lesen (Understanding Deaf Culture: In Search of Deafhood). Ladd ist selber gehörlos und unterrichtet an der Universität Bristol. Er beschreibt unter anderem, wie die Bewegung gegen die Autonomie der Gehörlosen im späten 19. Jahrhundert vom kolonialistischen Denken geprägt war. Heute, in den Zeiten des Postkolonialismus, versuchen wir, die Kultur der Gehörlosen neu, mit einem freieren Blick zu sehen, auch als einen Beitrag zur kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft.

Das Cochlea-Implantat (CI) als Lösung?

Persönlich lehne ich jede genetische Diskussion dieser Fragen ab, weil es nur für mich darum gehen darf, das menschliche Leben zu ehren und zu schützen. Die Diversität von Lebewesen muss geschützt werden, um jeden Preis. Wir dürfen nicht fragen, wer lebenswert ist und wer nicht. Dürfen wir zum Beispiel die Existenz der afrikanischen Pygmäen infrage stellen, nur weil sie klein sind? Das wäre doch absurd!
Hier bei sei an dieser Stelle ebenso erwähnt, dass Menschen, die mit dem vorhandenen Hörsinn aufwuchsen und aufgrund äußere Einflüsse ihr Gehör verlieren, eine Lösung darin sehen, ihre hörenden Identität wieder zu erlangen, vollkommen legitim ist.

Hörende Eltern, gehörloses Kind.

Ungefähr 98 % der gehörlosen Kinder haben hörende Eltern. Eine Anzahl von hörende Eltern ist es kaum eine fantastische Nachricht zu erfahren, dass das eigene Kind gehörlos ist und manchmal schwebt die Trauer über den fehlenden und nicht vorhanden Hörsinn so tief, dass sie und das Kind einen großen Leidensweg auf sich nehmen und das Vertrauen in falsche Hände geben.

Besorgte hörende Eltern wenden sich vertrauensvoll an die Ärzte. Die Schulmedizin hat ihre eigene Auffassung mit dem Umgang dieser Thematik. Er ist rationell und sehen das gehörlose Kind als etwas, dass in Ordnung gebracht werden muss, um einen Schaden zu beheben.
Sie raten zu einem CI (Cochlera-Implantat), Logopädie und Sprach- und Stimmtraining, damit das gehörlose Kind in die mehrheitliche hörende Gesellschaft integriert werden kann, um den zukünftigen sozialen Leidensweg zu mindern. Damit das Kind einen optimalen Lernerfolg erzielt, wird empfohlen, das Kind nicht mit Gebärdensprache zu erziehen, denn dies ist für den Verlauf der lautsprachlichen Sprachentwicklung sehr hinderlich.

Viele unaufgeklärte Leute verbinden im Jahr 2023 noch immer mit dem Wort taubstumm diskriminierende Bilder einer Person wie „eine derrischen Kappelle“ oder „einer tauben Nuss“, die in den akustischen Wäldern der Lautsprache aufgewachsen ist. Das ist nicht korrekt, denn die Sprachminderheit bietet ebenso ihre abenteuerliche, äquivalente und ebenbürtige Welt und fabelhaften bunten Kultur, die es zu leben gilt.

Deaf power

2016, September, 30th – Demonstration: „Schluss mit Barrieren“

Die Erstsprache der gehörlosen Menschen ist die jeweilige nationale Gebärdensprache.
Im österreichischen Bundesverfassungsgesetzbuch ist die ÖSTERREICHISCHE Gebärdensprache seit 2005 als offizielle Sprache anerkannt und eingetragen. Darin heißt es:

„Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“

Die Herausforderung die wir haben ist, dass sie zwar anerkannt und eingetragen ist, jedoch sind keine Gesetze vorhanden, die unser kulturelles Menschenrecht und ein Recht auf Bildung sichern, schützen und regeln. 

Die Devise heißt, nicht aufgeben, denn es geht um unsere gehörlose Welt, um unsere gehörlosen Kinder, die definitiv das absolute Menschenrecht besitzen sollten und jede erdenklich mögliche und gegebenen Maßnahmen erhalten sollen, in ihrer Erstsprache verstehen zu lernen, wie sich die Welt dreht!

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